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Wie nimmt Mein Hund die Welt wahr? Wissenswertes über den Geruchsinn von Hunden

Hast Du manchmal das Gefühl, dass Dein Hund Gespenster sieht? Reagiert er auf Dinge, die (Deiner Meinung nach) gar nicht da sind? Hat er einen siebten Sinn und weiß schon, bevor es klingelt, dass jemand an der Tür steht?

Im Folgenden zeigen wir Dir wie Du diese “Eigenarten” nutzen kannst, um die Bindung zu Deinem Hund zu stärken und Euer Training nachhaltig zu verbessern.

Vorweg kann ich Dich beruhigen: Dein Hund ist kein Hellseher!

Er sieht die Welt nur mit ganz anderen Augen als wir.

Und mit diesem Zitat haben wir eigentlich auch schon den Kern der Aussage getroffen. Das folgende Zitat würde viel besser zu Deinem Vierbeiner passen:

Er riecht die Welt mit einer ganz anderen Nase. Er hört die Welt mit ganz anderen Ohren.

Behalte das beim Lesen dieses Beitrags im Hinterkopf, auch, wenn es im ersten Moment schwer zu begreifen scheint. Nimm Dir beim Lesen ruhig die Zeit immer mal wieder eine Pause einzulegen und Dir vorzustellen, wie Dein Hund eine Situation wahrnimmt.

Das sieht Dein Hund

Als Carlos bei uns eingezogen ist, war uns schnell klar, dass er viele Dinge ganz anders wahrnimmmt als wir. Zu oft hatten sich in unserem Alltag Fragen wie “Hast du wieder ein Gespenst gesehen?” ergeben. Ich hatte mir nie große Gedanken darüber gemacht, was Carlos eigentlich sieht bzw. wie er wohl Situationen sieht und erlebt. Höchste Zeit, das zu ändern.

Eine schnelle Recherche hatte ergeben, dass das Sehen von Carlos ganz anders aufgebaut ist als meins. Er sieht weniger Farben, dafür im Dunkeln besser. Er sieht still stehende Objekte schlechter als sich schnell bewegende. Er ist sogar kurzsichtig und kann in der Distanz nicht so viele Details wahrnehmen. Aber der flüchtende Hase am Horizont ist dafür gestochen scharf.

Wenn Du kurz darüber nachdenkst, ist das eigentlich total logisch: Der Wolf möchte kein Buch lesen, das er sich vor die Nase hält. Er will jagen und früh Feinde sehen, die sich aus der Ferne nähern.

Hast Du Dich schon einmal gefragt, warum Rehe teilweise wie angewurzelt stehen bleiben, wenn sie einem “Feind” begegnen? Instinktiv wissen sie, dass die Wahrscheinlichkeit, gesehen zu werden, so deutlich geringer ist.

Das Internet ist voll von Vergleichsbildern und Artikeln wie das Sehen des Hundes im Vergleich zum Menschen funktioniert. Dabei geht beim Lesen und Sehen dieser Informationen oftmals folgender Aspekt unter:

Sinneswahrnehmung im Alltag

  • Für uns Menschen ist das Sehen der wichtigste Sinn. Wir nehmen fast unsere gesamte Umwelt über die Augen wahr. Aber das ist nicht bei allen Lebewesen so.

  • Fledermäuse orientieren sich primär über ihre Ohren. Und der Hund?

  • Er riecht und hört die Welt. Das Sehen gibt ihm nur Zusatzinformationen.

Ich will damit nicht sagen, dass ein blinder Hund genauso durch die Welt gehen würde wie einer ohne diese Einschränkung. Aber stell Dir mal folgendes Szenario vor: Du hast etwas auf dem Herd vergessen, das jetzt langsam vor sich hinschmilzt. Allerdings hältst Du Dich nicht in der Küche auf. Zuerst wirst Du über Deine Nase auf den verbrannten Geruch aufmerksam und wirst dann schnell hingehen, um die Lage zu überprüfen. Wirst Du dabei Deiner Nase voll und ganz trauen? Wahrscheinlich nicht - Du wirst stattdessen mit Deinen Augen die Situation bewerten und daraus Deine Handlung ableiten.

Lass uns ein anders Beispiel ansehen: Stell Dir vor, Ihr seid zu dritt unterwegs: Dein Hund, eine weitere Person und Du. Wie gewöhnlich verrichtet Dein Hund sein Geschäft an einer Stelle, die weit entfernt vom nächsten Mülleimer ist. Da Du ein gewissenhafter Hundeführer bist, hast Du selbstverständlich sofort Deine Kotbeutel griffbereit, kümmerst Dich um das Häufchen und bringst es zum nächsten Mülleimer. Währenddessen unternimmt Deine Begleitperson mit dem Hund ein paar Suchspiele, sodass sie Dich komplett aus den Augen verlieren. Vom Mülleimer aus joggst Du zu den beiden zurück. Im Augenwinkel sieht Dein Hund nun etwas Schnelles und Großes auf ihn zukommen, woraufhin er vielleicht in Panik gerät. Er kann auf die Entfernung nicht sehen wer Du bist, sondern nur, dass sich jemand schnell nähert. Doch dann trägt der Wind Deinen Geruch in seine Nase. Sofort wird aus der “Panik” eine Freude, weil er sich freut, Dich wiederzusehen.

Beim zweiten Szenario nimmt Dein Hund Dich zuerst durch seine Augen wahr, während Du im ersten Beispiel zuerst den Geruch wahrgenommen hast. Aber erst seine Nase ermöglicht ihm die Situation zu bewerten.

Fakten zur Nase Deines Hundes

Lass uns ein paar Fakten zur Nase Deines Hundes mit denen eines Menschen gegenüberstellen:

HundMensch
Größe Riechschleimhaut150cm²5cm²
Anzahl Riechzellen125-220 Millionenca. 5 Millionen
Unterscheidung von Gerüchen1.000.00010.000
Anzahl Atemzüge pro Minute300ca. 80 (Selbstexperiment*)
Bewegen des Nasejanein (sehr eingeschränkt)
Riechhirn10%1%

Da wir zu der maximalen Anzahl der Atemzüge pro Minute keine Angaben gefunden haben, haben wir es selbst ausprobiert.

Logisches Denken und Emotionen

Lass uns nun einen Blick darauf werfen, wie Du Entscheidungen triffst und Situationen bewertest. Prinzipiell lässt sich Deine Entscheidungsfindung in zwei unterschiedliche Bereiche unterscheiden. Als erstes wären da die Automatismen. Dabei denkst Du nicht bewusst darüber nach, wie Du auf eine Situation reagieren solltest. Als ein prägnantes Beispiel lässt sich dafür zum Beispiel das Gehen anführen. Denkst Du beim Gehen aktiv darüber nach, wie Du Deine Beine bewegen musst und wann welcher Fuß wo hin muss? Ich würde diese Frage mit “Nein” beantworten. Womöglich wirst Du darüber nachdenken, wohin Du gehen möchtest und evtl. in welchem Tempo, aber das Gehen an sich wird von Deinem Gehirn automatisch ausgeführt. Neben diesen Automatismen bist Du aber auch dazu in der Lage, Situationen rational zu bewerten und daraus eine Handlung abzuleiten.

Stell Dir vor: Du bekommst ein Geschenk zu Deinem Geburtstag, aber es gefällt Dir leider gar nicht. Die Person, die Dir das Geschenk überreicht hat, ist Dir aber sehr wichtig. Wenn wir den Automatismus mit Deinen Emotionen zusammenbringen, wäre es hier naheliegend, dass Du offen zeigst, dass Dir das Geschenk überhaupt nicht gefällt. Vielleicht würdest Du sogar in Tränen ausbrechen. Aber als Mensch haben wir gelernt, dass wir in dieser Situation auch zusätzliche Aspekte bewerten. Da wir die andere Person nicht verletzen wollen, zeigen wir uns trotzdem dankbar und signalisieren unserem Gegenüber Freude.

Leider sind die meisten Hunde nach aktueller wissenschaftlicher Auffassung zu diesen rationalen Bewertungen nicht so umfangreich in der Lage, wie wir Menschen. Das Gehirn Deines Hundes ist deutlich geprägter von Automatismen als unser Gehirn. Eigentlich lässt sich fast jede Reaktion eines Hundes auf einen Automatismus zurückführen.

Im Hundetraining lernen wir immer wieder, dass Wiederholungen der Schlüssel zum Erfolg sind. Wenn wir das auf das Beispiel mit dem Gehen übertragen, klingt das sehr logisch. Du bist auch nicht als kleines Kind aufgestanden und losgelaufen. Diesen Automatismus musste Dein Gehirn erst lernen.

Für die finale Entscheidung, wie Dein Hund auf eine Situation reagiert, sind Emotionen bzw. die Ausschüttzung von Hormonen von elementarer Bedeutung. Zum Beispiel ist es für den Hund (historisch betrachtet) wichtig auf eine Situation, in der er Angst verspürt, eine entsprechende Reaktion zu zeigen, die die Gefahr abwendet. Das ist in der Regel eines der vier folgenden Reaktionen: “Fight, Flight, Freeze oder Fawn”.

Somit lässt sich eine recht einfache Handlungskette für Deinen Hund ableiten:

Reiz führt zu Emotion => Emotion führt zu Hormoausschüttung => Hormoausschüttung führt zu Reaktion

Fazit

Oben hatte ich angesprochen, dass das Riechhirn Deines Hundes deutlich ausgeprägter ist, als das von einem Menschen. Das ist der Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung von Gerüchen verantwortlich ist. Beim Hund ist dieser Teil unter anderem direkt mit der Amygdala verbunden, die (vereinfacht ausgedrückt) als Zentrum der Emotionen gilt. Mit dieser Information können wir die Handlungskette aus der vorigen Schritt etwas abwandeln:

Geruch führt zu Emotion => Emotion führt zu Hormoausschüttung => Hormoausschüttung führt zu Reaktion

Natürlich haben auch andere Faktoren einen Einfluss auf die Emotionen, aber das Riechen hat bei den meisten Hunden einen der größten Anteile daran.

Exkurs: Wenn Gerüche purer Stress bedeuten

Mit dem hervorragenden Geruchssinn von Hunden zu trainieren, wird in der Regel als etwas sehr Positives wahrgenommen, denn schließlich lassen sich über den Geruchsinn Menschen und sogar Sprengstoff aufspüren. Doch was wäre, wenn die vielen Gerüche der pure Stressfaktor schlecht hin wären? Dann wüsstest Du, wie es unserem Hund Carlos ergeht.

Carlos zeigt als Deprivationshund angstaggressives Verhalten gegenüber den verschiedensten Umwelt- und Sozialreizen, da er als Welpe wenig bis gar keine Reize kennengelernt hat und sich daher von diesen bedroht fühlt.

Doch was hat das jetzt mit den Gerüchen zu tun? Gemeinsam mit unserer Trainerin für Verhaltensmedizin fanden wir heraus, dass Carlos nicht (nur) auf das visuelle Erscheinungsbild eines Reizes reagiert, sondern, dass der Geruch jener Reize (Mensch, Hund, Pferd etc.) sein Streslevel um ein Vielfaches ansteigen lässt.

Unser Reiztraining wurde mit dieser Erkenntnis auf ein neues Level gehoben. Nun galt es, Carlos nicht nur an visuelle & geräuschvolle Reize zu gewöhnen, sondern ihn auch für olfaktorische Reize (= Gerüche) zu sensibilisieren und diese neu zu verknüpfen.

Wie wir Dieses Training konkret aufbauen, erklären wir Dir im Rahmen unserer Schnüffelbox, die optimal dazu geeignet ist, in stressfreier Umgebung Problemgerüche zu konditionieren.

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Wer schreibt?

Hi, wir sind Nikolas & Lisa und gemeinsam mit unserem Tierschutzhund Carlos haben wir 2021 rabaukenglück gegründet. Auf Instagram und in unserem Podcast „rabauken Radau“ lassen wir andere Hundebesitzer offen & ehrlich an unserem Leben mit Carlos teilhaben und geben hilfreiche Tipps & Reminder für einen positiven & achtsamen Alltag mit Hund.

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